Begriffe
entstehen und vergehen im Laufe der Zeit. Viele sterben, weil die
Objekte, die sie bezeichnen, verschwinden. Andere ändern
ihre Bedeutung und erhalten dadurch einen längeren Bestand.
Zu den letzteren gehören „See" und „Teich".
Im heutigen Sprachgebrauch sind sie zu Sammelbegriffen für
größere und kleinere stehende Gewässer geworden.
Solange es noch solche geben wird, werden auch die Begriffe
erhalten bleiben. Anders verhält es sich mit „Woog".
Diese Bezeichnung wird nur noch aus der Überlieferung
beibehalten, ohne daß der ursprüngliche Sinngehalt des
Wortes noch verstanden wird. Wenn der letzte Woog zugeschüttet
sein wird, wird auch das Wort aus unserer Sprache
verschwinden.
Nahe an diesem Punkt sind schon „Weet"
und „Speck" angelangt. Wenn diese alten Bezeichnungen
nicht künstlich erhalten werden, wie z. B. beim
„Speckebrünnchen" in Traisa, werden sie über
kurz oder lang vergessen sein. Es scheint daher angebracht,
einmal den ursprünglichen Sinn der fünf in der
Überschrift aufgeführten Begriffe zu erläutern.
Mit „See" bezeichnete man früher alle auf
natürliche Weise entstandenen Gewässer. Die Größe
spielte dabei keine Rolle, auch nicht, ob diese mehr oder weniger
versumpft waren. In Traisa hatten wir einen solchen See im Gebiet
zwischen Darmstädter Straße und Steinkaute. In einer
Grenzbeschreibung der Gemarkung Nieder-Ramstadt aus dem Jahre
1629 wird die Ecke, die die Grenze zwischen Nieder-Ramstadt und
Traisa hier hat (südlich vom Kinderheim Waldeck), als das
„Eck am See" bezeichnet. Später, als durch
Absinken des Grundwasserspiegels der „See"
austrocknete, wurde die zurückbleibende, heute noch gut
erkennbare Mulde, „Seegraben" genannt. Ein Straßenname
erhält die Bezeichnung in Erinnerung.
Das Wort
„Woog", mundartlich verfärbt aus dem
ursprünglichen „Wag", das wohl über „Wäger"
mancherorts auch zu „Weiher" geworden ist, ist auf den
mittelhochdeutschen Wortstamm „wäc"
zurückzuführen. Er bedeutet allgemein „Bewegung"
und ist ja auch in diesem Wort, sowie in „Waage",
„Woge", „Wiege" usw. enthalten. „Woog"
ist die Bezeichnung für die in der früheren
Landgrafenzeit, also vor dem Dreißigjährigen Krieg,
angelegten Fischteiche.
Man erhielt diese Teiche dadurch,
daß man einen Bach durch einen Damm aufstaute. In den Damm
wurde eine Ablaßvorrichtung eingebaut, so daß man das
Wasser nach Bedarf aufstauen oder ablassen konnte. Man hat damals
die Fische nicht geangelt, sondern das „Ausfischen"
eines Teiches war eine Art von Ernte, die möglichst schnell
und rationell abgewickelt werden mußte.
Man ließ
das Wasser ab, dessen Reste sich zusammen mit den Fischen in den
tiefer gelegenen, oft künstlich angelegten Teilen des
Teichbettes ansammelte. Diese wurden „Pfannen" genannt
und man konnte hier die Fische bequem in wassergefüllte
Gefäße einsammeln. Sie wurden zum Teil an Ort und
Stelle verkauft, der Rest wurde an die zuständige
Teichmeisterei abgeliefert, wo sie für eine gewisse Zeit für
den Verkauf und für die Bedürfnisse der Hofküche
lebend in Vorratsbehältern aufbewahrt wurden.
Die
„Bewegung", die den „Woogen" ihren Namen
verschafft hat, ist also wahrscheinlich das Senken und Heben des
Wasserspiegels und nicht die Wellenbewegung der Oberfläche,
da diese ja überhaupt bei allen Gewässern zu finden
ist. Im Dreißigjährigen Krieg scheint jedoch das
Wissen um die Bedeutung des Wortes verlorengegangen zu sein. Alle
Anlagen der späteren Zeit, die nach genau den gleichen
Prinzipien errichtet wurden, tragen nämlich die Bezeichnung
„Teich". Dieses Wort ist von dem Damm oder „Deich",
durch den diese Gewässer aufgestaut wurden,
hergeleitet.
Als nächstes hätten wir die „Weet",
eine den alten Traisaern noch wohlbekannte Einrichtung. Der
Ursprung des Namens liegt im althochdeutschen „watan",
was „waten" bedeutet. Das Watt oder Wattenmeer an der
Seeküste ist auf den gleichen Wortstamm zurückzuführen.
In unserer Gegend bedeutet „Weet" eine Vieh-
oder Pferdeschwemme. Wer die Traisaer Weet noch kennengelernt
hat, der weiß, daß sie, an drei Seiten von Mauern
umgeben, an der vierten Seite einen flachen, gepflasterten
Eintrieb für das Vieh hatte.
„Weet" und
„Speck" lagen in Traisa nebeneinander. Wasser ist an
dieser Stelle schon immer reichlich geflossen, ganz besonders in
einer Zeit, in der der Grundwasserspiegel noch hoch stand, daß
der etwa 10 m höher liegende „See" bestehen
konnte. Die Quellen, die hauptsächlich auf den Grundstücken
Krichbaum und Beckers zu finden sind, speisten jedoch nicht nur
die Weet und einige Brunnen, sondern ihr Wasser durchweichte auch
den Untergrund derart, daß ein Knüppeldamm angelegt
werden mußte, um den Zugang zu den Äckern am Birken-
und Scherersberg zu ermöglichen. Weiter bachabwärts in
der heutigen Ohlebachaue nennt Georg Wilhelm Justin Wagner in
seiner „Statistik und Topografie des Landratsbezirks
Reinheim“ einen Sumpf „neben dem Weg nach
Nieder-Ramstadt“, dessen Fläche zwei Quadratklafter
betrage, dessen Tiefe aber „bis jetzo“ (1827) noch
nicht ergründet sei.
„Speck" bedeutet
aber nichts anderes als „Knüppeldamm", und der
Name rührt davon her, daß der Boden mit senkrecht
eingetriebenen Pfählen „gespickt" werden mußte,
um den daraufgelegten Knüppeln einen Halt zu geben. Man
findet die Bezeichnung „Speck" auch andernorts an
Stellen mit ähnlichen Bodenverhältnissen. Die
nächstgelegene ist die „Speckbrücke" an der
Lichtwiese, dort wo der Bessunger Heuweg den Darmbach
überschreitet.
Zum Schluß sollen noch einige
alte Fischteiche unserer näheren Umgebung, deren
Entstehungsjahre bekannt sind, aufgezählt werden. Man
erkennt hier deutlich, daß die Bezeichnung „Woog"
nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) durch
„Teich" abgelöst wurde.
1573 - Die drei
Nieder-Ramstädter Wooge im Wiesengrund. Sie lagen zwischen
der heutigen B 449 und der Dornwegshöhstraße
1579
- Der große Woog in Darmstadt
1686 - Der
Walthersteich, ursprünglich „die beiden Teichlein im
Rabenfloß"
1700 - Der Oberjägermeisterteich,
ursprünglich „die drei Jägermeisterteiche",
von denen zwei nicht mehr bestehen.
1738 - Der
Kirchbergsteich, ursprünglich „das Teichlein am
Weinweg".
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